Elfenbeintasten bei Klavieren?

Gleich vorneweg – die folgenden Aussagen ersetzen keine Rechtsberatung und erheben keinen Anspruch auf Korrektheit oder Vollständigkeit, jegliche Haftung wird ausgeschlossen. Im konkreten Falle wenden Sie sich dafür bitte an das jeweils für Sie zuständige Amt bzw. an einen Rechtsbeistand ihrer Wahl. Die folgenden Aussagen sollen nur sensibilisieren für die Relevanz dieses Themas im Zusammenhang mit gebrauchten Pianos. Details finden sich hier auf den Seiten des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) und hier auf den Seiten der EU Commission.

Was hat sich geändert?

Die EU hat mit Wirkung vom 19.01.2022 den Handel mit Elfenbein und Elfenbeinprodukten und auch Gegenständen in denen verarbeitetes Elfenbein vorhanden ist (also auch Klaviertastenbeläge) grundsätzlich ausgesetzt und nur mit strengen Regeln in bestimmten Ausnahmefällen gestattet. Sinn und Zweck ist, den Handel mit Elfenbein zu verbieten und/oder dadurch unrentabel zu machen. Davon sind grundsätzlich auch alle Klaviere betroffen, deren weiße Tasten mit Elfenbein belegt sind. Vor 19.01.2022 war der Handel auch schon eingeschränkt, sodass bei jedem Grenzübertritt in die oder aus der EU ein CITES Dokument vom BfN erforderlich war. Pianos mit Elfenbein auf den Tasten gebaut ab 1975 dürfen gar nicht mehr gehandelt werden. Übrigens, bereits vor dem 19.01.2022 war auch der innereuropäische Handel von Musikinstrumenten mit Elfenbein ohne Bescheinigung nur gestattet, wenn das Elfenbein nachweislich aus der Zeit vor 1947 stammte und dieses nach 1947 nicht mehr verändert wurde. Eine nachträgliche Bescheinigung kann nicht beantragt werden. EG Bescheinigungen, die vor 19.01.2022 ausgestellt wurden, haben am 19. Januar 2023 ihre Gültigkeit verloren. Mit der Verschärfung ab 19.01.2022 muss nun für JEDEN Kauf / Verkauf auch innerhalb der EU und auch innerhalb jeden Landes eine Ausnahmegenehmigung von der jeweils zuständigen Behörde eingeholt werden. Ohne solche eine Bescheinigung ist der Handel strafbewehrt!

Darf ich bei Ebay ein Klavier mit Elfenbeintasten verkaufen?

Nein. Schon lange nicht mehr. Unsere jüngste Anfrage bei Ebay Kleinanzeigen (Januar 2023) ergab erneut: „In unseren Grundsätzen unter unzulässigen Produkten steht: Handel mit Elfenbein und allen Elfenbeinprodukten, und zwar unabhängig von der Herkunft des Elfenbeins oder Elfenbeinproduktes inkl. prähistorisches Elfenbein. Dieses Verbot gilt schon seit über 10 Jahren auf eBay Kleinanzeigen. Daher dürfen bei uns auch keine Klaviere angeboten werden, die eine Vermarktungsbescheinigung haben.“. Das heißt also, Klaviere mit Elfenbeintastenbelägen dürfen gar nicht mehr auf Ebay angeboten werden – egal, ob mit oder ohne Bescheinigung. Das gilt meistens auch für andere Portale. Trotzdem finden sich jeden Tag sehr viele neue Annoncen, die diesem Verbot zuwider handeln. Nach der Verschärfung der EU Regeln nehmen nun auch die Kontrollen zu, sodass davon auszugehen ist, dass künftig häufiger diese strafbare Handlung sanktioniert wird.

Betrifft das jedes Piano mit Elfenbein?

Ja. Pianos mit Elfenbein gebaut ab 1975 dürfen gar nicht mehr gehandelt werden. Pianos vor 1975 können mit einer Vermarktungsbescheinigung angeboten werden. Und – diese Gesetzesverschärfung betrifft nicht nur den kommerziellen Handel, sondern jeden Kauf und Verkauf, d.h. jeden Besitzerwechsel eines Pianos, das Elfenbein auf den Tasten hat. Das gilt natürlich auch für einzelne Tasten oder ganze Klaviaturen, falls diese einzeln angeboten werden. Pianos aus der Zeit vor 1947 gelten als Antiquitäten und benötigen ebenfalls jetzt grundsätzlich solch eine Genehmigung. Eine Genehmigung wird dabei nur noch erteilt, wenn das Piano nicht ausschließlich als Ausstellungsobjekt genutzt wird – d.h. das es als Musikinstrument genutzt wird bzw. werden kann.

Bild: FASZINATIONPIANOLA

Ist das Sache des Käufers oder Verkäufers?

Grundsätzlich ist jeder Verkäufer verpflichtet, vor dem Angebot solch eines Instrumentes eine entsprechende Genehmigung vorliegen zu haben. Es sind aber auch alle Käufer verpflichtet, vor Kauf zu prüfen, ob der Verkäufer zu dem Instrument solch eine Bescheinigung besitzt. Falls nicht, ist auch der Kauf ohne Bescheinigung strafbar. Sofern Pianos mit Elfenbeintastenbelägen Teil eines Gewerbes sind, sind grundsätzlich Bescheinigungen erforderlich.

Darf ich ein Klavier mit Elfenbeintastenbelägen denn noch besitzen?

Ist und bleibt das Instrument im gleichen privaten Besitz braucht es prinzipiell keine EU Bescheinigung – das inkludiert auch Vererbungen und Umzüge, in denen ein Piano zum privaten Hab und Gut gehört. Befinden sich jedoch mehrere Instrumente im privaten Besitz, ist die Frage, ob das noch unter ‚normales Hab und Gut’ fällt, und ob hier wirklich nicht-kommerzielle Interessen deutlich überwiegen. Auslegungssache! Im Zweifelsfall ist es sicher besser, mit den lokalen Behörden den Fall zu klären. Wenn eine EU Bescheinigung für das Instrument erlangbar ist, könnte es sinnvoll sein, hier vorsorglich diese ausstellen zu lassen, um für künftige Eventualitäten vorbereitet zu sein.

Ist es möglich, ein Klavier mit Elfenbein zu verschenken?

Mit ‚Handel’ ist natürlich jeder Besitzwechsel mit Gegenleistung (Geld oder Naturaltausch) gemeint – also auch alle Käufe und Verkäufe zwischen Privat. In der Begriffsklärung der entsprechenden Verordnung wird unter ‚Handel’ jedoch auch aufgezählt: Einfuhr, Ausfuhr, Wiederausfuhr, Verwendung, Beförderung oder Überlassung – was so ziemlich alles abdeckt, ggf. auch die unentgeltliche Überlassung, sprich Schenkung, die landläufig eher nicht als Handel verstanden würde. Möglicherweise ist eine Schenkung von Privat an Privat noch möglich – aber ohne Gewähr. Eine Schenkung von Privat an Gewerblich oder anders herum ist dagegen in strenger Auslegung dieser Regelung ohne vorherige Bescheinigung wohl nicht gestattet, da hier kommerzielle Interessen involviert sind. Jede gewerbliche Arbeit an einem betroffenen Piano durch Dritte, also Reparatur, Transport, Einlagerung, etc. ohne vorliegende EU Bescheinigung stellt mindestens einen rechtlichen Graubereich dar. „Verkauf“ ist in der Begriffsklärung der entsprechenden Verordnung gleichgesetzt mit: jede Form von Verkauf, Vermieten, Tausch oder Austausch – und: sinnverwandte Ausdrücke werden entsprechend ausgelegt. Anhand dieser Begriffsbestimmungen wird deutlich, wie weit die Regelungen ausgelegt werden können. Es empfiehlt sich, rechtzeitig im Vorfeld mit der zuständigen Behörde den konkreten Fall zu klären. Selbst Museen und Sammlungen unterliegen diesen strengen Regelungen, und sollten die jeweilige Sachlage mit dem zuständigen Amt klären.

Tastenbeläge entfernen?

Es scheint tatsächlich erlaubt und ohne Bescheinigung möglich zu sein, ein Piano ohne die Tasten bzw. ohne die Elfenbeintastenbeläge zu kaufen bzw. zu verkaufen, sofern dieser Umstand vertraglich korrekt geregelt ist und auch im Preis realistisch erkennbar. Die meisten Klaviere ohne Tasten werden jedoch ihren Wert nahezu komplett verlieren, da mit der Neuanfertigung erhebliche Kosten im vierstelligen Bereich verbunden sind. Es ist möglich, das vorhandene Elfenbein zu entfernen und das Piano zwar mit Tasten, aber ohne Elfenbeintastenbeläge zu verkaufen. Dies sollte jedoch von einem Fachbetrieb ausgeführt werden, da die Gefahr der Tastenbeschädigung hoch ist. Ganz abgesehen von der wenig sinnvoll erscheinenden Entfernung des Belages, sind auch hier die gesetzlichen Regelungen zur Handhabung und möglichen Entsorgung des Elfenbeins zu beachten. Besser ist also, erst eine Bescheinigung zu besorgen und das Instrument dann mit den originalen Belägen zu erhalten.

Gültigkeit der Genehmigung?

Wenn eine Vermarktungsgenehmigung erteilt wurde, die beim Instrument verbleibt, kann auch ein Weiterverkauf mit diesem Dokument erfolgen – die Bescheinigungen können ohne Gültigkeitsdauer ausgestellt werden. Nur, wenn am Elfenbein Veränderungen vorgenommen werden, muss eine neue Genehmigung eingeholt werden.

Wie viel Elfenbein ist im Klavier?

Die allermeisten Pianos aus der Zeit vor 1947 haben Elfenbein als Tastenbelag für die weißen Tasten. Manche haben jedoch auch einen Belag aus Knochen oder Plastik (siehe auch unseren Beitrag ‚Wie ist die Piano Tastatur erhalten?‚) – dies ist nicht immer einfach zu unterscheiden. Die Tastenbeläge wurden damals mit Knochenleim auf die hölzerne Taste geklebt, meistens unterteilt in Vorder- / Hinter- und Frontstück –  erkennbar an den Staubeinlagerungen an den Schnittkanten. Manchmal sind die kleinen Frontstücke nicht aus Elfenbein, sondern aus einem Kunststoff. Je nach Tastengröße, Anzahl der Tasten, Belegungsart und Dicke des Elfenbeinbelages, betrifft das ca. 50 Tasten mit je ca. 4-6g Belag, also in Summe ca. 200g – 300g.

Bild: FASZINATIONPIANOLA

Wo bekomme ich so eine Genehmigung?

Die Bescheinigungen erhält man bei den zuständigen Landesbehörden, meistens dem zuständigen Landratsamt. Die Kosten für solch einen Antrag sind  je nach Bundesland unterschiedlich. Für den Antrag werden detaillierte Informationen zum Instrument erforderlich, um Typ, Baujahr, Zustand sowie v.a. Details zum vorhandenen Elfenbein nachzuweisen. Manche heute noch existierende Klavierhersteller stellen auf Anfrage sogenannte Herstellerbescheinigungen aus. In Ermangelung von originalen Herstellerunterlagen zu den alten Pianos erfordert dies Expertenwissen und Zugang zu Fachunterlagen.

Was ist mit Annoncen von privat?

Das neue Gesetz gilt für jeden Kauf und Verkauf, d.h. auch für jede Annonce auf Kleinanzeigen-Marktplätzen in Zeitungen oder im Internet – egal ob privat oder gewerblich. Daher verbieten auch die großen Portale Annoncen im Internet mit der Erwähnung des ‚Elfenbein‘ Tastenbelages. Die Weglassung dieses Begriffes ermöglicht zwar meistens das Schalten der Annonce – jedoch handelt nach unserer Auffassung hier der Einsteller trotzdem rechtswidrig. Also Vorsicht.

Ist das bei alten Klavieren sinnvoll?

Die Frage stellt sich eigentlich nicht mehr, da es jetzt geltendes Gesetz ist. Die Regelverschärfung wurde erforderlich, da alle bisherigen Maßnahmen den illegalen Elfenbeinhandel nicht gebremst haben – im Gegenteil, er hat ein Rekordniveau erreicht. Laut Bundesamt für Naturschutz (BfN) werden Schätzungen zufolge jährlich zwischen 20.000 und 30.000 Afrikanische Elefanten gewildert. Elefantenpopulationen sind bedroht auch durch zunehmende Beteiligung globaler krimineller Handels-Netze. Im Zuge der Regelformulierung wurden Experten und Verbandsvertreter -auch aus der Musikinstrumenten- und Antikbranche von der EU involviert, sodass die strengen Ausnahmeregelungen für Musikinstrumente möglich wurden. Richtig ist, alles dafür zu tun, dass der illegale Handel mit Elfenbein verhindert wird. Auch wenn davon vermutlich heute nichts mehr auf Klaviertasten landet – und auch alte Elfenbeinbeläge auf Klaviertasten keinem Elefanten mehr das Leben retten, ist das Ziel den Handel mit Elfenbein und Elfenbeinprodukten komplett zu stoppen und damit diese grausamen Geschäfte zu beenden.

Gilt das auch für die Entsorgung?

Auch vorher schon war es falsch, Pianos einfach zu entsorgen, da sie dann meistens einfach komplett verbrannt werden und schädliche Schlacke erzeugen – siehe auch unser Beitrag ‚Wie entsorge ich mein Klavier?‚. Nach unserer Auffassung erlaubt das neue Gesetz die Abgabe an einen Entsorger, sofern keine Bezahlung für das Piano im Sinne eines Handels vorgesehen ist. Es ist in jedem Falle besser, das Piano sachgerecht recyceln zu lassen, sodass auch etwaiges Elfenbein dokumentiert für die Reparatur anderer alter Pianos erhalten bleibt, soweit das möglich ist.

Warum eigentlich Elfenbein?

Für viele, die sich mit alten Klavieren beschäftigen, sind Elfenbeintastenbeläge ganz normal – ja sogar ein willkommenes Detail in Sachen Authentizität, Werterhalt und Restaurierbarkeit. Die Geschichte der Verarbeitung von Elfenbein im Klavierbau könnte einen eigenen Artikel füllen, daher hier nur einige wenige Anmerkungen zur historischen Einordnung. Schon früh wurde Bein/Knochen und Elfenbein als schönes und vor allem sehr haltbares Material auch für Tastenbeläge im Instrumentenbau verwendet.

In der Blütezeit des Klavierbaus 1850-1920 wurden riesige Mengen Elfenbein benötigt. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde in den Fachmedien bereits viel über den Mangel an Elfenbeinnachschub berichtet, weil die Ausrottung der Elefanten den Rohstoff so rar und teuer machte. Trotzdem wurden immer noch 70.000 – 100.000 Elefanten vor allem in Afrika pro Jahr wegen des Elfenbein erlegt. In den Jahrzehnten davor dürften es erheblich mehr gewesen sein. Schnitzerei-Kunstgewerbe, Billardkugeln und Klaviertastenbeläge waren die Hauptprodukte. In 1913 wurden immer noch 75% der ca. 140.000 allein in Deutschland hergestellten Pianos mit Elfenbeintastenbelägen ausgestattet, in 1929 waren es noch 35% der nur noch ca. 65.000 in produzierten Pianos. Ethische Bedenken spielten bei dieser Entwicklung kaum eine Rolle – den Rückgang des Elfenbeineinsatzes bewirkten ausschließlich wirtschaftliche Faktoren und bald auch regulatorische Beschränkungen.

Die ersten Ersatzprodukte mit kunstvollen Namen wie z.B. ‚Elfenit’ konnten trotz anderslautender Werbung nicht mit Haltbarkeit und Haptik des Elfenbeins mithalten. Bis Anfang der 1980er Jahre wurden noch aus sogenannten Restbeständen der Klavier-Hersteller vereinzelt Pianos mit Elfenbein als Tastenbelag angeboten. Heute spielt Elfenbein als Tastenbelag im Klavierneubau keine Rolle mehr, da Ersatzprodukte aus Kunststoff optisch und haptisch gleich- oder höherwertige Eigenschaften haben – und vor allem erheblich günstiger sind.

Bild: ‚Der Pianofortebau – Theorie und Praxis des Baues der Flügel und Pianinos‘ (1909, Blüthner und Gretschel)

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