Wie haben sich die Pianola und Phonola entwickelt?

Der Name „Pianola“ ist eigentlich ein Produktname für den um 1895 von Edwin Votey gebauten Selbstspielmechanismus, der ab 1897 durch die Aeolian Company New York sehr erfolgreich weltweit vermarktet wurde. Dieser Produktname hat sich mehr noch als der von Hupfeld 1902 eingeführte Produktname „Phonola“ als Bezeichnung für die selbstspielenden Klaviere und Flügel insgesamt bis heute erhalten.

Viele Hersteller haben dann eigene Instrumente „Pianola-Flügel“ oder „Pianola-Klavier“ genannt, so dass die Aeolian Company immer wieder auch darauf hinwies, das die echte Pianola aus ihrem Hause kommt. Richtig heißt es „die“ Pianola bzw. „die“ Phonola, da die Wortendung ganz bewusst eine weibliche Form haben sollten.

Andere Hersteller haben ebenso eigene Wortkreationen -oft in Verbindung mit dem Herstellernamen- für deren selbstspielende Instrumente als Warenzeichen eintragen lassen, wie zum Beispiel Pleyela, Ibachiola, Orphobella, Phonobella, Pianella, Playola, Symphoniola, etc. – keine davon hat sich jedoch so durchgesetzt, wie der von Edwin Votey geprägte Begriff „Pianola“.

MECHANISCHES PIANO

Die Bezeichnung „Mechanisches Piano“ wurde von Hupfeld schon 1893 in der Zeitschrift für Instrumentenbau beworben. Dabei wurde eine Pressspanrolle mittels einer Kurbel bewegt, die dann über eine Abtastung die Töne im Klavier zum Klingen brachte. Je schneller man die Kurbel bewegte, desto lauter und schneller wurde das Musikstück. Wenn auch bereits beeindruckend im Sinne der mechanischen Umsetzung, so blieb der Ton doch sehr mechanisch und wenig mit natürlichem Klavierspiel zu vergleichen.

ELEKTRISCHES KLAVIER

Auch die Bezeichnung „Elektrisches Klavier“ ist im Deutschsprachigen Raum verbreitet – wenngleich die allermeisten selbstspielenden Klaviere ohne einen Elektrischen Motor nur mit Pedalen betrieben wurden. Und „selbstspielend“ sind diese Instrumente auch nur, wenn es sich tatsächlichen um elektrisch betriebene Klaviere handelt – ansonsten braucht es immer noch den Pianolisten, der über die Pedale und Hebel der Pianola mittels der Musikrolle Musik hervorbringt.

Auch wenn es schon deutlich früher im 19. Jahrhundert unterschiedliche selbstspielende Klaviermechanismen in z.B. Frankreich, Deutschland und den USA gab, so ist der amerikanischen Aeolian Company sicher der maßgebliche Durchbruch mit der Pianola gelungen – und Hupfeld kurz danach in Deutschland mit der Phonola. Hupfeld hat dabei beispiellos die Möglichkeiten der Werbung und damaligen Medien genutzt. Nicht nur in der Zeitschrift für Instrumentenbau hat Hupfeld konstant und auf prominentesten Plätzen Werbung für die Phonola und ganz gezielt auch gegen die Pianola betrieben.

Die Geschichte der selbstspielenden bzw. sogenannten Mechanischen Musikinstrumente reicht viele Jahrhunderte zurück. Vor den selbstspielenden Klavieren waren es vor allem die Spieldosen und Spieluhren, die mechanische Musik ins zumeist wohlhabende Haus gebracht haben. Immer war es die Mischung aus Erfindergeist, Faszination für die Technik und Freude an dem Genuss der Musik, die so viele und unterschiedliche Mechanische Instrumente entstehen ließ.

Im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert, einer Zeit, in der es noch keine zufriedenstellenden Tonträger oder Sendeanstalten für den Musikgenuss im eigenen Heim, in Cafés, Bars oder Restaurants gab, einer Zeit in der Musik noch selbstverständlich zur Familienkultur gehörte, hatten diese selbstspielenden Klaviere und Flügel ihre Blütezeit. Der große Erfolg der Pianolas in der Zeit von 1895 bis 1935, kurz vor dem 1. Weltkrieg war der höchste Jahresabsatz erreicht, hatte vor allem auch damit zu tun, dass die Klaviermusik sich zu der dominierenden Musikform in den Haushalten entwickelt hatte und Klaviermusik in jedes „gute Haus“ gehörte – auch in jenes, wo sich keine großen Talente im Klavierspiel fanden. Mittels der Pianolas konnte auch dort auf höherem Niveau Klaviermusik erzeugt und genossen werden. Da sich gleichzeitig auch das gesellige Leben in unzähligen Cafés und Tanz-Lokalen stark etabliert hat, wurden selbstspielende Klaviere mit zusätzlichen Instrumenten wie Schlagwerk, Flöten etc. versehen und als Orchestrions sehr erfolgreich verkauft. Es entstanden wahre Wunderwerke der Technik, die -sehr zum Leidwesen der vielen kleinen Orchester- starke Verbreitung fanden.

Die Anbieter waren sehr erfinderisch in der Vermarktung dieser kombinierten Instrumente. Da viele Haushalte bereits normale Handspielklaviere und -Flügel besaßen, musste es gelingen, die Kunden vom Umstieg zu überzeugen. Dazu wurden u.a. Rückkaufaktionen, Gratisrollenangebote, Abonnements, etc. angeboten. Für die Klavierhändler bestand ein lukratives Folgegeschäft im kontinuierlichen Verkauf von Notenrollen. Stets wurden die neuesten Titel beworben, aktuelle Lieder, Märsche, Schlager und neue Aufnahmen der beliebtesten klassischen Titel. Eine durchschnittliche Sammlung eines Pianola Besitzers umfasste ca. 50-70Titel. Nicht nur die Hersteller der Pianolas sondern auch weitere Firmen haben sich auf dieses interessante Geschäft konzentriert. Notenrollen gab es auch in Bibliotheken gegen eine Leihgebühr. Nicht nur neue Titel wurden erworben, sondern auch Ersatz für Notenrollen, die so oft gespielt wurden, dass sie nicht mehr zuverlässig genutzt werden konnten.

PIANOLAROLLENTYPEN

Grundsätzlich gab es zwei unterschiedliche Pianola- und Rollenphilosophien – die arrangierten Rollen, die vom Notenblatt nur die Tonfolge auf den Notenrollen festhielten und die gesamte Betonung als auch Temposteuerung dem Pianolaspieler überließen. Im Gegensatz dazu die Reproduktionsrollen, die Aufnahmen des Spiels eines Pianisten waren und quasi 1:1 wiedergegeben werden konnten. Eine Zwischenlösung sind die sogenannten Künstlerrollen, die das Spiel eines Pianisten enthielten, jedoch die Betonung und Temposteuerung dem Pianolaspieler überließen.

So schnell der Aufstieg dieser Pianolas erfolgte, so rasant endete auch deren Ära. Es dauerte zwar lange, bis die Schallplatte eine Qualität erreichte, die den Musikgenuss ohne störende Nebengeräusche ermöglichte, dann jedoch verbreiteten sich diese Phonographen in großer Zahl in den wohlhabenden Haushalten, die zuvor Pianolas bevorzugten. Mitte der 1920iger Jahre breitete sich zusätzlich der Rundfunk sehr stark aus und verdrängte die Pianolas noch schneller. Findige Hersteller versuchten dem zu begegnen, in dem sie Pianolas mit eingebauten Phonographen und / oder Radios anboten – jedoch waren diese Überlebensversuche nicht erfolgreich. Die Pianola Industrie, die sich vom ersten Weltkrieg nur schlecht erholt – und durch die Wirtschaftskrise Ende der 1920iger Jahre erheblichen Schaden genommen hatte, brach Anfang der 1930iger Jahre komplett zusammen. Due L. Hupfeld AG -zuvor der weltweit größte Hersteller von mechanischen Musikinstrumenten mit über 2000Beschäftigten- musste 1934 die Produktion fast vollständig einstellen.

DIGITALE PIANOLA SYSTEME

Heute werden digitale computerbasierte Selbstspielmechanismen in Klavieren und Flügeln angeboten – jedoch auch diese sind heute eher eine seltene Randerscheinung. Steinway Spirio und die KlavierDisk von Yamaha sind hier als Beispiele zu nennen. Dank der Möglichkeiten der weltweiten Vernetzung können heute die Daten -was früher die Notenrolle war- beliebig heruntergeladen und geteilt werden. Durch die Einschränkungen der Corona Pandemie hat die Hochschule Freiburg Prüfungen unter Einsatz der Yamaha Disklavier Technik über tausende von Kilometern von Piano zu Piano übertragen und möglich gemacht – hier der Bericht im ZDF heute journal vom 13.06.2020.

So wie der Versuch in den 1930iger Jahren Pianola, Grammophon und Radio in einem Klavier zu kombinieren – sind die heutigen Selbstspielinstrumente echte Entertainment Alleskönner. Unser Galaxy Diamond Acrylic Concert Grand Piano aus 2009 mit webbasiertem Pianodisc System kann über Ipod/Ipad gesteuert werden, besitzt ein Bose-Soundsystem, ein Pianodisc-Selbstspieler, eine Lichtanlage etc. etc.. So kann man sich heute auf Live Konzerte irgendwo in der Welt aufschalten lassen und das Spiel von z.B. Elton John, Norah Jones, etc. per Videoleinwand optisch miterleben – und der Flügel spielt das über das Internet übermittelte originale Spiel des Pianisten live am Flügel. Hätten Hupfeld, Welte und die anderen diese Möglichkeiten gehabt, hätten sie sicher Gleiches oder mehr aus den Möglichkeiten gemacht.

Viele Millionen selbstspielende Klaviere/Flügel und Notenrollen wurden in der Zeit 1900-1930 produziert, wovon trotz der inzwischen vergangenen über 100 Jahre und geschichtlichen Wirren noch wenige Exemplare erhalten sind. Es sind zumeist Museen und passionierte Sammler, die diese ungewöhnlichen selbstpielenden Instrumente heute besitzen. Inzwischen gibt es jedoch erfreulicherweise wieder immer mehr Menschen, die sich neu faszinieren lassen, von dem Charme der über 100Jahre alten mechanischen Wunderwerke und mit einem Pianola musizieren. Und damals wie heute kann dieses Musizieren große Begeisterung und Freude bei allen Beteiligten auslösen..

 

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