Wie so oft bei großen Entwicklungen waren es mehrere geniale Personen, die Welte-Mignon zu diesem Welterfolg gemacht haben. Bockisch-Welte-Popper-Feurich (Foto aus der Zeitschrift für Instrumentenbau No 25, März 1905) sind nach unserer aktuellen Einschätzung die vier Persönlichkeiten im engeren Kreis, die zusammen mit zahlreichen Beteiligten und Zuarbeitern für diesen Erfolg stehen.
Bis heute konnte noch nicht genau geklärt werden, wie genau die Erfindung, die Produktreife, die Markteinführung, die Vermarktung, der Service, der wirtschaftliche Welterfolg und der Niedergang, das Ende des Welte-Mignon in Zusammenhang mit M. Welte & Söhne erfolgte.Trotz aller Initiativen ist der größte Teil der Geschichte immer noch unklar.
Es ist unser Anliegen, mit unseren Aktivitäten dazu beizutragen, dass in den kommenden Monaten und Jahren engagierte Wissensträger zusammenfinden und die abenteuerliche, geniale, bewegte und v.a. musikalisch einmalige Geschichte vollständiger verstanden und erzählt wird. Auch für die weiteren deutschen Reproduktionssysteme wie Philipps DUCA und Hupfeld DEA/Tri-Phonola sowie Popper Stella werden wir sukzessive mehr publizieren und initiieren.
Ein Artikel aus der Zeitschrift für Instrumentenbau (September 1904) beschreibt die erste öffentliche Vorstellung des Popper “Artist” auf der Ostervormesse in Leipzig. Als Urheber wird M. Welte & Söhne (Freiburg) benannt. Zweifelsohne das Mignon, noch unter dem von Popper eingetragenen Warenzeichen “Artist”. Interessanterweise hat Popper sich am 9.4.1904 auch das Warenzeichen “Mignon” eintragen lassen. Auch das Warenzeichen “Welte-Mignon” hat Popper eintragen lassen – am 28.4.1906. Dies mag an Popper’s Alleinvertretungsrechten für Welte-Mignon in Deutschland gelegen haben. Gleichwohl ist das aus Herstellersicht ungewöhnlich.
Allein die Diskussion um die Namensgebung wird ein Themenfeld sein, dass genauer aufbereitet werden muss, da hier nach unserer Kenntnis heftigste Auseinandersetzungen zwischen Welte, Bockisch und Popper stattgefunden haben. Die Namenswechsel von “Artist” über “Mignon” zu “Welte-Mignon” deuten darauf hin, dass Welte sich letztlich durchgesetzt hat – und erstaunlicherweise den mutmaßlichen Haupterfinder (Karl Bockisch) namentlich nicht vorkommen lässt. Die Bedeutung von Karl Bockisch wird in diesem Artikel deutlich hervorgehoben: “Dieses Piano-Orchestrion ebenso wie der Kunstspielapparat “Artist” sind Schöpfungen des Karl Bockisch, …, der als Innovator...”
Bevor jedoch die Erstvorstellung erfolgen konnte, mussten über viele Monate zahlreiche Vorleistungen und sicher auch gelungene und gescheiterte Versuche stattfinden, um die Präsentation auf der Ostervormesse erfolgreich durchführen zu können. Neben der technischen Realisierung war eine der wichtigen Vorbereitungen die Diskussionen um die Marktpositionierung und das Preismodell des Welte-Mignon. Hierzu sind noch weitere Recherchen erforderlich. Ein wichtiger Hinweis findet sich in einem, später noch genauer anzuschauenden Brief von Hugo Popper an seinen Prokuristen Hermann Möhle (Foto: Popper Katalog) aus 1906: “…meine Meinung war von jeher, Mignon entweder als Wunderding hinzustellen und dafür M 10.000,00 zu verlangen, oder aber als kuranten Artikel, und ist solcher dann mit M 3.000,00 schon sehr hoch bezahlt…” (Quelle: Kopie des Briefes, W. Baus, aus dem Besitz von Hanns Popper). Zu dem Zeitpunkt war der Verkaufspreis für das angesprochene Feurich Welte Kabinett M 3.650,00.
Julius Feurich, als der enge Freund von Hugo Popper und Ludwig Hupfeld, gleichzeitig der Hauptlieferung für Welte, Philipps und Popper Reproduktionsinstrumente und ein wichtiger Lieferant für Hupfeld, hat mit Sicherheit ebenfalls eine Schlüsselrolle gespielt. Der erste Aufnahmeflügel für Welte Einspielungen soll ein Feurich Konzertflügel gewesen sein. Interessanterweise wurden in 1903/04 zwölf Flügelrasten zu Popper geliefert, jedoch nicht eine zu Welte. Wurden Aufnahmeinstrumente möglicherweise in Leipzig bei Popper oder Feurich gebaut? Die Herren Bockisch und Welte sind höchstwahrscheinlich in 1903-05 sehr oft und lange in Leipzig gewesen.
So gibt es zahlreiche Merkwürdigkeiten und Lücken in der bisherigen Erkundung der Geschichte rund um Welte und die anderen Hersteller von Reproduktionsinstrumenten. Dies gilt es in naher Zukunft gemeinsam zu entschlüsseln.