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Neue Notenrollen

Korrektere Datierung früher J. Blüthner Pianos

Bei frühen Blüthner Instrumenten bis ca. 1880 sind die Seriennummerninformationen in den meisten Fach-Publikationen falsch, d.h. vor allem in den ersten Jahren sind die genannten Zahlen viel zu hoch bzw. werden Instrumente zu alt datiert. Wir beschäftigen uns seit langer Zeit v.a. mit älteren Blüthner Instrumenten und stellen hier nun eine vermutlich korrektere zeitliche Einordnung der frühen J. Blüthner Instrumente mit entsprechenden Belegen zusammen, die durch freundliche Rückmeldung der Blüthner GmbH Leipzig und einigen Fachkollegen grundsätzlich bestätigt wurde.

Beispiele aus der Literatur mit falschen Angaben, Stand Oktober 2024

Wir würden uns freuen, wenn Sie uns weitere Dokumente oder Bilder von Blüthner Instrumenten mit Seriennummern unter 10.000, v.a. kleiner 1.000 schicken können, um unsere Arbeit zu diesem Thema zu unterstützen. Wir sind übrigens auch am Kauf von schönen frühen Blüthner Instrumenten sowie weiteren Unterlagen interessiert. Dies ist ein Teil der originalen Blüthner Dokumente, die unserer Recherche zu Grunde liegen, neben einer großen Datensammlung zu noch erhaltenen Blüthner Pianos.

Beispiele für Quellen zu Blüthner

Ganz allgemein geben Seriennummernlisten -soweit diese überhaupt noch erhalten sind- nur einen ungefähren Zeitpunkt als Herstellungsjahr an, auch abhängig davon, wann der Hersteller die Nummern während der Produktion vergeben hat, also z.B. bei Herstellung eines Rahmens, der Raste oder erst bei der sogenannten ‘Hochzeit’, d.h. der Zusammenführung von Raste und Rahmen, etc.. Nicht selten wurde auf Vorrat gearbeitet und erst später ein Bauteil erst- oder wieder-verwendet, wodurch sich ebenfalls auffällige Abweichungen ergeben können. Der Zeitpunkt der Auslieferung in die eigenen Verkaufsräume oder zu einem der Händler lag i.d.R. später und auch damals schon standen neue Instrumente teilweise lange im Verkauf, bis diese erstmals verkauft wurden. Eine Seriennummer gibt also nicht immer einen exakten Zeitpunkt der Fertigstellung an. Zudem gab es im Piano Gebrauchthandel im 19. und frühen 20. Jahrhundert schon die Praxis Seriennummern nachträglich zu verändern, um ein Instrument jünger und damit wertvoller anbieten zu können. Hier ein Beispiel eines schlecht manipulierten Blüthner Instrumentes in unserem Bestand.

Beispiel für eine schlechte Seriennumerfälschung beim Blüthner Flügel 1388

Julius Blüthner wurde am 11. März 1824 in Falkenhain im Lossatal ca. 40km nordöstlich von Leipzig geboren, und starb im für damalige Zeiten durchaus hohen Alter von 86 Jahren am Alter 13. April 1910 in Leipzig. Bevor er am 7. November 1853 seine eigene Pianofortefabrik gründete, hatte er bei seinem Vater eine Lehre als Möbeltischler absolviert, in Zeitz als Möbeltischler – und bei den Pianofortefabriken Hölling und Spangenberg (Zeitz) sowie Bretschneider (Leipzig) gearbeitet (Quelle: Wikipedia).

Julius Blüthner Portrait (Grassi Museum Leipzig) und Piano-Plakette aus 1867

Er gründete sein Unternehmen mit ‘glänzenden Zeugnissen und einem Vermögen von 1660 Talern, 2 Neugroschen und 1,25 Pfennigen’ in einer angemieteten Werkstatt und startete mit 3 Tischlern mit der Zielsetzung, ‘neue Fortepianos und Flügel deutscher und englischer Construction’ anzufertigen und alsdann zu verkaufen’ (Quelle: Blüthner Prospekte). Mit deutscher und englischer Construction waren v.a. die damals verbreiteten Mechanikformen gemeint.

Unterschiede der Deutschen und Englischen Mechanik (Blüthner/Gretschel, 1909)

Am 6. Juli 1856 bereits erhielt Julius Blüthner ein Patent auf seine selbst entwickelte Mechanik, die bis heute Blüthner Patentmechanik genannt wird. Schon früh bot Blüthner jedoch auch eine Mechanik nach Erard Prinzip an, welche vom Kunden gewählt werden konnte und sich oft in frühen Blüthner Konzertflügeln findet. In 1876 heißt es in einem Bericht: “Drei Viertheile der producirten Flügel werden mit Blüthner’s Patentmechanik versehen, die übrigen erhalten Mechaniken nach den sinnreichen, gefälligen Systemen eines Erard, eines Steinway.“.

Blüthners Mechaniken (Blüthner/Gretschel, 1909)

Für die Datierung sind -neben Konstruktionsdetails- wichtige Hinweise bei der Beschriftung auf dem Klaviaturdeckel sowie auf dem Resonanzboden-Emblem zu finden, da Blüthner -ebenso wie die meisten Pianofortefabrikanten- sofort nach Verleihung mit gewonnenen Preisen und Auszeichnungen auch auf den Instrumenten geworben hat. Diese ersten Auszeichnungen (Quelle: Jubiläumsschrift 1903) erhielt Blüthner:

1854 Gewerbeausstellung in München
1856 Patent für Mechanik
1865 Sächsisch-Thüringischen Gewerbe- und Industrieausstellung zu Merseburg
1865 Ernennung zum Königl. Sächs. Hofpianoforte-Fabrikanten.
1867 I. Preis für Norddeutschland auf der Weltausstellung in Paris
1867 I. Preis Industrieausstellung in Chemnitz
1870 I. Preis Cassel Allgemeine Industrie-Ausstellung
1871 Ernennung zum Königl. Sächsischen Kommerzienrat
1873 Höchste Auszeichnung Wiener Weltausstellung
1873 Patent für Blüthners Aliquot-Piano
1876 Centennialmedaille Weltausstellung in Philadelphia für 6 Blüthner-Pianos mit Aliquot-System

Die Blüthner Instrumente vor 1856 trugen nur den Namen Blüthner Leipzig und keine Auszeichnungen bzw. ggf. einen Hinweis auf die Gewerbeausstellung in München. Nach freundlicher Auskunft von Blüthner in Leipzig, gibt es ein noch erhaltenes Blüthner Piano mit der Seriennummer 12 und auch weitere Pianos mit zweistelligen Seriennummern. Uns liegen jedoch bis dato keine Fotos eines Blüthner Pianos gebaut vor Mitte 1856 vor.

Alle Instrumente gebaut nach 6. Juli 1856 tragen im Klaviaturdeckel die Bezeichnung ‘Patent Julius Blüthner Leipzig’ und auf dem Resonanzboden ein Emblem mit der Bezeichnung ‘Forte-Piano-Fabrik von Julius Blüthner in Leipzig – Königl. Sächs. patentierte Mechanik – Patent vom 6. Juli 1856.

Blüthner Schriftzüge ab Mitte 1856

Die nächste sichtbare Änderung in der Beschriftung erfolgte erst ab 1865 nach der Ernennung zum Königl. Sächs. Hofpianoforte-Fabrikanten. Die Blüthner Instrumente ab 1865 tragen im Klaviaturdeckel ‘Julius Blüthner König.Sächs. Hof-Pianofortefabrikant Leipzig’ mit einer Plakette zwischen Hof- und Pianofortefabrikant, die auch auf der Ernennungsurkunde zu sehen ist. Auf dem Resonanzboden ist bis 1867 weiterhin das Emblem mit dem Hinweis auf die patentierte Mechanik aus 1856.

Blüthner Klaviatur-Deckel Schriftzug ab 1865

Erst 1867 ändert sich das auch das Emblem auf dem Resonanzboden und zeigt jetzt auch die Ausszeichnungen aus Paris und Chemnitz. Zusätzlich finden sich ab 1867 bei Klavieren und Flügel oft prächtige Messing-Plaketten, die ebenfalls die Auszeichnungen aus Chemnitz und Paris zeigen.

Blüthner Resonanzbodenemblem und Plakette 1867

Das Resonanzbodenemblem ändert sich erneut 1870 unter Hinzunahme des Preises verliehen in Cassel, und auch der Schriftzug im Klaviaturdeckel ändert sich, sodass hier nur noch Blüthner steht. Es finden sich zu allen Zeiten dieser noch nicht industriellen Fertigung auch Mischformen verschiedener Kombinationen, vermutlich abhängig vom Produktionsfortschritt und verfügbaren Materialien.

Blüthner Klaviatur Schriftzug und Resonanzbodenemblem ab 1870

Die nächste Veränderung erfolgte ab 1876, nachdem auf der Weltausstellung in Phildalphia (USA) Preise für das 1873 erfundene Aliquot-Patent errungen werden konnten. Auch dies wurde fortan auf dem Resonanzbodenemblem mit vielen Medaillen und Datumsangaben ausgewiesen – und oft auch auf einer separaten Metallplakette.

Blüthner Klaviatur Schriftzug und Resonanzbodenemblem ab 1876

Auch später änderten sich die Embleme mit weiteren Auszeichnungen. Die Datierung der Blüthner Instrumente ab ca. 1880 ist anhand der in der Fachliteratur genannten Seriennummern besser. Dies liegt auch daran, dass Blüthner ab Anfang der 1870er Jahre mehr und mehr mit einer industriellen Produktion zu einer der führenden Pianofortefabriken wird und es zunehmend Berichte über Blüthner und Werbung von Blüthner mit Details gibt, wie z.B. die Annonce aus 1885, die das 25.000te Instrument feiert. In einem großen Artikel in der ‘Leipziger Illustrirte Zeitung’ aus 1871 wird die Blüthner Pianofortefabrik begeistert beschrieben, u.a. heißt es dort: “…vier große Säle zur Aufbewahrung der in Arbeit begriffenen Instrumente, 6 große Säle zur Ausstellung der fertigen Instrumente (…) In den Parterreräumen werden die Rasten (corpora) für die Instrumente angefertigt und dann macht jedes Instrument die verschiedenen Abteilungen durch bis es in fertiger Gestalt dem Chef zur letzten Revision vorgeführt werden kann.”.

Entwicklung zur Pianofortefabrik ab 1870

Zudem finden sich ab dieser Zeit bei fast allen Blüthner Instrumenten handschriftliche Notizen des Fertig-Polierers, der i.d.R. als letztes am Instrument gearbeitet hat, sodass dies als tatsächlicher Fertigstellungstermin eines Instrumentes gesehen werden kann. Bei Blüthner Flügeln findet sich diese Notiz an der Unterseite des heraus-ziehbaren Notenpultes.

Blüthner Konzertflügel No 21513 mit Fertigstellungsdatum 10.05.1883 des Fertigpolierers Scherf

Oscar Laffert gründet 1880 die Zeitschrift für Instrumentenbau, herausgegeben von Paul de Wit, die schnell das zentrale ‘Insertions-Organ ersten Ranges’ v.a. für den Klavierbau wird und damit für uns heute eine der wertvollsten Quellen. Im Mai 1876 schreibt Oscar Laffert einen dreißigseitigen Bericht über die Pianofortefabrik Julius Blüthner. Darin heisst es: “Nachdem er zeitweilig in verschiedenen Pianofortefabriken gearbeitet hatte, begann er am 7. November 1853 mit 3 Arbeitern selbstständig zu schaffen. Im Februar 1854 war der erste Flügel fertig, im März der zweite und so fort in den nächsten Monaten je ein Exemplar. (…) Im Februar 1862 wurde das fünfhundertste Instrument vollendet.“. In der Jubiläumsschrift aus 1903 heißt es „Die drei Arbeiter waren fleißige Tischler und arbeiteten, was in ihren Kräften stand, aber der junge Meister gönnte sich vor Schaffenseifer kaum das Notwendigste an Schlaf. Wenn seine Leute morgens um 6 Uhr zur Arbeit kamen, hatte er schon zwei Stunden lang die Modelle ausgearbeitet und blieb bis um 10 und 11 Uhr nachts beim Werk. In so heißer Arbeit entstanden im ersten Jahre zehn Instrumente, acht Flügel und zwei tafelförmige Pianos.“. Nimmt man alle diese Hinweise zusammen, ergibt sich folgende Auflistung der frühen Blüthner Instrumente, die deutlich von dem abweicht, was bisher in der Literatur zu finden ist.

Blüthner Seriennummern 1853-1880

Weitere Recherchen werden das Bild noch verfeinern. Ähnliches finden wir übrigens auch bei anderen Herstellern. Auch wenn sich damit zeigt, dass so manches Instrument doch jünger ist, als zuvor gedacht, ändert sich damit nichts an dem Wert oder der Bedeutung eines solchen Instrumentes. Es ist stets ein Genuss, ein gut restauriertes frühes Blüthner Piano zu spielen und zu hören. Ein schönes Beispiel ist in diesem Video zu sehen, in dem die Pianistin Ragna Schirmer auf dem restaurierten Blüthner Flügel No 486 spielt. Dieser ist nach unseren Recherchen zwar nicht aus 1856, sondern aus 1861, aber trotzdem ein wunderbarer früher Blüthner.

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